Teil I: Das älteste Gebot

„Dann gebot Gott, der Herr, dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen” (Genesis 2, 16).

Unter Fasten im Allgemeinen versteht man die zeitweilige gänzliche oder teilweise Enthaltung von bestimmten Lebensmitteln aus religiösen Gründen.

a. Das Fasten bei anderen Religionen: Die Praxis des Fastens existiert in unterschiedlichen Formen in fast allen Religionen und Weltanschauungen der Welt (z.B: bei den Ägyptern, Babyloniern). Man findet das Fasten auch in den Schulen der Weltweisheit (Pythagoreer, Stoiker u.a.). Sogar die Athleten und die Gymnasten der Antike mussten vor den olympischen Spielen an verschiedenen Tagen fasten. Für die Buddhisten und Brahmanen ist das Fasten für das Leben unentbehrlich. Die Muslime praktizieren ebenfalls eine große Fastenzeit: Ramadan.

„Das Fasten ist gleich alt wie der Mensch” gemäß den Worten des hl. Basilius des Großen (+379).

b. Fastenvorschriften im AT: Im Alten Testament findet man klare Vorschriften bezüglich des Fastens: „Im siebten Monat, am zehnten Tag des Monats, sollt ihr euch Enthaltung auferlegen” (Levitikus 16, 29), „Ihr habt gefastet und Klage abgehalten im fünften und im siebten Monat” (Sacharija 7,5); Die Pharisäer fasteten zwei Tage in der Woche : an Montagen und Donnerstagen: „Ich faste zweimal in der Woche ” (Lukas 18, 12). Abgesehen davon gab es auch Sonderfasten (unregelmäßig) für verschiedene traurige Umstände oder zur Überwindung von katastrophalen Erreignissen.

Am Anfang des Buches des Propheten Daniel lesen wir: „Lass uns nur pflanzliche Nahrung zu essen und Wasser zu trinken geben! Dann vergleiche unser Aussehen mit dem der jungen Leute, die von den Speisen des Königs essen…Der Aufseher nahm ihren Vorschlag an und machte mit ihnen eine zehntägige Probe. Am Ende der zehn Tage sahen sie besser und wohlgenährter aus als all die jungen Leute, die von den Speisen des Königs aßen” (Daniel 1, 12-15).

c. Als Vorbilder des Fastens im Alten Testament findet man zunächst Mose, der 40 Tage gefastet hat, bevor er die Gesetzestafeln mit den 10 Geboten erhalten hat, dann den Propheten Daniel, den König David, den berühmten Propheten Elias und andere Persönlichkeiten. Das Fasten diente ursprünglich der Vorbereitung auf den mystischen Verkehr mit Gott.

Die Propheten des AT lehrten allerdings, dass die Enthaltung von Lebensmitteln allein nicht ausreichend sein kann, sie soll vielmehr mit Tugenden und karitativen Taten ergänzt werden ( wie z.B.: Demut, Buße, Barmherzigkeit).

d. Im Neuen Testament fastet Johannes mit seinen Jüngern (Mk. 2, 18). Unser Herr Jesus Christus sagte in seiner berühmten Bergpredigt bei Matthäus:” Denkt nicht, Ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen” (Mt. 5, 17). So bestätigte Er auch die alte Praxis des Fastens mit Seinen Worten: „Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler…Du aber salbe dein Haar, wenn du fastest…damit die Leute nicht merken, dass du fastest, sondern nur der Vater, der auch das Verborgene sieht…”(Mt. 6, 16, 17, 18). Paulus erwähnt auch sein „häufiges Fasten” ( 2 Kor. 11, 27; 6, 5).

Teil II: Die Fastendimensionen

Man verbindet manchmal den Begriff „Fastenzeit” mit dem Wort „Verzicht”. Es wäre aber zu wenig, Fasten auf das Verzichten von Essen zu reduzieren. Tatsächlich sollte man sowohl auf verschiedene Lebensmittel als auch auf Werke, Worte und Gedanken, die nicht im Einklang mit der christlichen Moral stehen, verzichten. Allerdings sollte man diese eine Dimension mit anderen erweitern bzw. ergänzen. In diesem Sinne versteht man nicht nur, etwas in passiver Form zu unterlassen, sondern aktive Wohltätigkeit zu vermehren.

Das Alte Gesetz hob die Bedeutung des Fasten sowohl für Körper und Seele, als auch seine soziale Dimension hervor: „…das ist ein Fasten, wie Ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen…an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen”(Jesaja 58, 6-7).

a. Fasten um die Nächstenliebe (Philanthropie/ Philoxenia) zu praktizieren. In der Fastenzeit werden normalerweise die Wohltaten der Christen vermehrt: Besuche der Kranken und der Älteren, Geschenke für Arme oder Waisenkinder. Es wird kurz gefasst mehr gespendet. Die Kirchenväter empfehlen das, was durch das Fasten erspart wird, an die Armen zu verteilten.

„So spricht der Herr der Heere: Haltet gerechtes Gericht, jeder zeige seinem Brüder gegenüber Güte und Erbarmen; unterdrückt nicht die Witwen und Waisen, die Fremden und Armen und plant in eurem Herzen nichts Böses gegeneinander” (Sacharija 7, 10).

b. Fasten kann die Gesundheit des Leibes und des Geistes fördern.

Die Kirchenväter lehren, dass das Fasten nicht den Körper „töten” soll, sondern die *Laster die den Körper belasten. Also das Ziel des Fastens ist nicht die Gesundheit des Leibes zu beschädigen, sondern das Gegenteil. Darum gibt es viele Ausnahmen vom Fasten und die kirchlichen Vorschriften sind in dieser Hinsicht sehr flexibel. Auch wenn strengere Fastenregeln wie z.B. in der Karwoche, am Vortag der Epiphanie oder am Vortag der Geburt unseres Herrn gelten (wie z.B. bis 15 Uhr oder sogar bis zum Abend nichts zu sich nehmen), sind diese aber vorallem denjenigen empfohlen, die mit dieser Fastenpraxis vertraut sind.

Sogar die Ergebnisse in der Medizin bestätigen die erholsame Wirkung des Fastens für den Körper. In verschiedenen Situationen empfehlen sogar die Ärzte vegane oder vegetarische Produkte (Diät), um eine Krankheit zu behandeln. Darüber hinaus gibt es viele Beispiele aus der Bibel und aus der Kirchengeschichte, nämlich dass die Fastenpraxis sogar die Lebensdauer verlängern und die Lebensqualität verbessern kann (beispielsweise bei den betagten Mönchen und Nonnen). Mit einem Wort, das Fasten wirkt sich positiv auf die Seele aus und fördert die Stärkung des eigenen Willens.

c. Mit Fasten zum Umweltschutz-die materielle Dimension. Jeglicher Konsum wird in der Fastenzeit reduziert und das hat positive Folgen für unsere Umwelt. Stichworte: effizient und sachgerecht.

Z.B. : – 1. In den Fastenzeiten werden Filme oder Sendungen eingeschränkt angeschaut, weniger Radio und Internet und weniger Videospiele benützt, all dies führt zur Stromersparnis;

2. – Es wird weniger verbraucht in jeder Hinsicht, und sogar die Natur „freut sich”.

Teil III: Fasten und Gebet

Der Herr Selbst hat viel gefastet – 40 Tage bevor Er seine irdische Tätigkeit begonnen hat – und hat auch Seinen Jüngern durch Rat und Tat eingeschärft, dass das Fasten untrennbar mit dem Gebet verbunden ist. Ferner hat unser Herr Jesus Christus das Fasten als Kampfmittel gegen Versuchungen und gegen die Macht des Bösen empfohlen : „Diese Art von Dämonen aber kann nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden” (Mt. 17, 21, Mk. 9,29).

a. Fasten, verzeihen und beten. Die Kirchenväter lehren uns, dass das Fasten mit dem Gebet verflochten werden soll: „Herr und Gebieter meines Lebens, lass mich nicht faul sein oder zu neugierig oder herrschsüchtig oder geschwätzig. Sondern lass mich verständig sein, demütig, geduldig und liebevoll. Ja, mein Herr und König, lass mich meine Fehler sehen und nicht die anderen verurteilen, denn Du bist gelobt in Ewigkeit. Amen.”(Hl. Ephräm der Syrer- +373).

b. Fasten und Erneuerung des Lebens

Eine Zeit der Enthaltung bringt etwas Besonderes im Leben. Wenn man tagtäglich alles konsumiert und in jeder Hinsicht unternimmt, erhebt sich die Frage, worin sich ein Festtag von einem üblichen Tag unterscheidet?

„Die Fastenzeit ist in erster Linie geeignet, den oberflächlichen Charakter unserer Beziehungen zu den Menschen, Dingen und der Schule kritisch zu betrachten.”

Und jetzt etwas ganz Einfaches: Wenn man längere Zeit einige Speisen nicht zu sich nimmt, werden sie an einem Festtag, wenn sie in Fülle angeboten werden, besonders genossen: z.B. zu Weihnachten oder zu Ostern oder sonst an einem wichtigen Fest. Und wer das Fasten kennt, kann die Erleichterung, die man spürt, im vollen Sinne des Wortes bestätigen, nachdem man eine Zeit lang gefastet hat.

Das heutige Verständnis der Fastenzeit ist eher negativ und wird manchmal nur symbolisch verstanden.

Das Fasten des Körpers ist Ernährung für die Seele, sagt wiederum der hl. Johannes Chryostomos.

Das Fasten als *Askeze oder Selbstbeherrschung und das Gebet helfen die Dinge im Leben klarer zu sehen. Das Wichtigste dabei ist, in allen unseren Sorgen und Taten zu fühlen welche die Bedürfnisse unseren Nächsten sind und am Leben unserer Nächsten Anteil zu nehmen insbesondere in Notsituationen.

Teil IV: Fastenzeiten und Fasttage

Die Fastenzeit, wie sie heute in der Orthodoxe Kirche praktiziert wird, ist das Ergebnis einer langen historischen Entwicklung; man kann sagen dass die Orthodoxe Kirche eine Kirche der Askese ist.

Bereits im 4. und 5. Jh. ist das vorösterliche Fasten unter der Bezeichnung „Die Vierzig Tage” eine allgemein anerkannte Einrichtung der Kirche.

Die heutige Fastenpraxis (siehe Kirchenkalender) umfasst drei Kategorien:

A. 4 Fastenzeiten – 1. Große Fastenzeit (49 Tage einschließlich der Karwoche vor dem OSTERFEST- Auferstehung des Herrn); 2. Vorweihnachtliche Fastenzeit (40 Tage vor der Geburt Jesu Christi); 3. Apostelfasten (Juni/Juli beweglich und unterschiedlich lang vor dem Fest der hl. Ap. Petrus und Paulus: 29.6./12.7); 4. Gottesmutterfasten (August: 14 Tage vor dem großen Fest der Entschlafung/Himmelfahrt der Gottesmutter: 15./28. Aug.) Das Fasten ist eine Wanderung, eine Reise in Bezug auf die Erwartung eines wichtigen religiösen Ereignisses: Vor Weihnachten fasten wir, um das Göttliche Kind zu empfangen, und vor Ostern, um dem auferstandenen Herrn zu begegnen.

B. Gewöhnliche Fasttage: Mittwoch (in Erinnerung an den Verrat des Herrn durch Judas Iskariot) und Freitag (im Andenken an die Kreuzigung Jesu), Ausnahme: die Woche vor dem Beginn der Großen Fastenzeit und die Woche nach Ostern, die Zeit zwischen Weihnachten und der Taufe Jesus, die Woche nach Pfingsten: in diesen Zeiträumen wird mittwochs und freitags nicht gefastet.

C. Fixe Fastentage: 1. Erhöhung des Heiligen Kreuzes 14./27.Sept.; 2. Vortag der Epiphanie (5./18. Jän.), 3. Enthauptung des hl. Johannes des Täufers (29. Aug./11.Sept.).

Folgende Personen sind vom Fasten ausgenommen: die Kinder bis zum Alter von 7-9 Jahren; die Schwangere und die Mütter während der Stillzeit; kranke und alte Menschen, die krank sind; Arbeiter, die unter schweren Arbeitsbedingungen ihre Tätigkeit ausüben; Reisende. Das Fasten dient hauptsächlich der Beherrschung der Sinnlichkeit (Reduktion der Vergnügungen), der Beruhigung des Geistes und der Buße und soll keinesfalls die Gesundheit oder die berufliche Tüchtigkeit gefährden.

Ferner soll das Fasten keine Barriere darstellen zwischen denjenigen, die fasten, und denjenigen, die nicht fasten. Es ist eher eine Empfehlung als ein striktes Gebot.

Eine Ausnahme tritt ein, wenn man als Gast in der Fastenzeit eingeladen wird und aus Höflichkeit die angebotenen Speisen nicht ablehnen will.

Es ist gut zu wissen, dass in den Fastenzeiten keine Hochzeiten in der Kirche gefeiert werden können.

Literatur:

1. Die Heilige Schrift

2. A. Schmemann, Die große Fastenzeit

3. E. Braniste, Liturgica generala

4.Der orthodoxe Katechismus