Teil I: Die Anfänge der Feier

 

a. Definition der Liturgie (aus dem Griechischen „leitos”= öffentlich und „ergon”= Werk, Dienst) bedeutet die auf eine Gemeinschaft ausgerichtete einzelne oder gemeinschaftliche Handlung, die einen Dienstcharakter trägt (A. Kallis).

b. Gründung der Liturgie. Die Heilige Liturgie gründet im Letzten Abendmahl des Erlösers mit den Aposteln vor Seinem Leiden und Sterben und geht somit auf Jesus Christus Selbst zurück. So nahm der Herr beim Abendmahl „das Brot, sprach das Segensgebet, brach es und gab es den Jüngern mit den Worten: Nehmt, esst, das ist mein Leib. Dann nahm Er den Kelch, sprach das Dankgebet und gab ihn ihnen mit den Worten: Trinkt alle daraus. Denn das ist Mein Blut des Neuen Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“(Matthäus 26,26-28).

Dieses Abendmahl, wie fast alle Ereignisse im Leben Jesus, wurde im Alten Testament an mehreren Stellen vorausgesagt, wie z.B.: „Kommt, esst von meinem Mahl und trinkt vom Wein”(Sprichwörter 9,5), oder „Kostet und seht, wie gütig der Herr ist” (Psalm 33,9).

Die Feier der Liturgie wurde durch die Apostel und ihre Nachfolger, nämlich die Bischöfe und die Priester, bis heute weitergegeben: „Das tut zu meinem Gedächtnis.“ (Lukas 22, 19). Die Liturgie kann infolgedessen nur vom Bischof oder in seinem Auftrag vom Priester zelebriert werden.

c. Entwicklung der Liturgie. Am Anfang des Christentums stand im Zentrum des religiösen Lebens dieses heilige Abendmahl (oder „die Brechung des Brotes” vgl. Apg. 2, 46-47). Dieser ursprüngliche Gottesdienst ist der Kern der späteren Bezeichnungen wie Göttliche Liturgie, aber auch Eucharistie, Messe (Katholiken), Abendmahl (Protestanten).

Die ursprüngliche Struktur der Liturgie der christlichen Gemeinde aus Jerusalem wurde durch die Apostel in den von ihnen gegründeten verschiedenen lokalen Kirchen weitergegeben. Später, als die inhaltlichen Gebete festgeschrieben wurden, hat sich auch die Ordnung der Feier der Liturgie allmählich und langsam herauskristallisiert.

Die symbolische Darstellung des eucharistischen Mahles gehört zu den ältesten. Sie findet sich wohl schon im 2. Jh. häufig in den *Katakomben (Brot und Wein, dabei oft noch der Fisch, oder der verschiedenen Mahlszenen: Brotvermehrung, Hochzeit von Kana) und in Darstellungen der Vorbilder (Opfer Melchisedeks, Paschmahl). Auch den Darstellungen des Brotbrechens vor den Jüngern von Emmaus wird meist eucharistische Bedeutung beigemessen, ebenso manchen Ikonen, die sich wie eine Zusammenfassung der Abendmahldarstellung ausnehmen: Christus in Halbfigur mit dem Kelch.

Teil II: Mittelpunkt des Lebens

Die Eucharistie ist das Fest der Kirche oder besser noch die Kirche als Fest, als Freude in der Gegenwart Christi, als Vorwegnahme der ewigen Freude des Reiches Gottes. (A. Schmemann).

a. Warum ist die Liturgie ein *Mysterium? Mysterium ist der orthodoxe Begriff für Sakrament (westliche Christenheit). Nicht die Liturgie als solches ist ein Mysterium (Sakrament), auch nicht die Eucharistie als Ganzes, sondern die Kommunion. Warum? Weil zum Begriff des Mysteriums (Sakrament) gehört, dass sie der Mensch empfängt; und das geschieht in der Kommunion. Die Liturgie bzw. Eucharistie ist der Ort der tiefsten Teilhabe des Christen an unserem Herrn und Gott Jesus Christus – im Mysterium der heiligen Kommunion.

Die sieben Mysterien, die wir mit Gottes Gnade empfangen können, sind: Taufe, Myronsalbung (Firmung), Kommunion (Eucharistie), Buße (Beichte), Krönung (Ehe), Handauflegung (Weihe), Ölung (Krankensalbung).

Man könnte sagen, dass die Eucharistie fortsetzt, was die Taufe im Heilsprozess des Menschen angefangen hat. Diese ersten drei Mysterien – Taufe, Myronsalbung und Eucharistie- heißen auch Initiationsmysterien. Früher wurden die Taufe und die Ehe innerhalb der Liturgie gefeiert. Heute findet nur noch die Priesterweihe innerhalb der Liturgie statt.

b. Was erfährt man während der Liturgie? Wenn man aufmerksam an der Liturgie teilnimmt, dann kann man merken, dass dabei die wichtigsten Momente des irdischen Lebens unseres Herrn Jesus Christus in Erinnerung gerufen werden: die Geburt aus der heiligen Jungfrau Maria, das Leiden, die Kreuzigung, die Auferstehung und Seine Himmelfahrt.

c. Was geschieht während der Liturgie? Die Liturgie ist der Treffpunkt jedes Christen/jeder Christin mit Jesus Christus in der Heiligen Kommunion. Durch die Kommunion vereinigt man sich mit Christus, die Fehler werden dadurch abgewaschen und man wird in der Ausübung der Tugenden gestärkt. Durch die Heilige Kommunion ist Jesus Christus nicht nur mitten unter uns anwesend (vgl. Mt. 18, 20), sondern in uns. Diese geistliche Vereinigung mit uns hat als Ziel die Vergebung unserer Sünden, unsere Heiligung, damit wir die Erlösung und das ewige Leben gewinnen können: ” Ich bin das Brot des Lebens… Wenn jemand davon isst, wird er nicht sterben… Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben” ( Joh. 6, 48, 50, 51).

In der Liturgie habe der Mensch die Möglichkeit, vorab vom Paradies zu kosten, wobei die Liturgie selbst Anteil an der Umgestaltung und Erneuerung der Welt hat. ” (J. Zizioulas)

d. Liturgie als Ausdruck des orthodoxen Glaubens. Die Liturgie wirkt als Quelle der universellen Gemeinschaft, unabhängig in welcher Nationalkirche (Serbisch-, Griechisch-, Rumänisch-, Russisch-, Bulgarisch-, Georgisch-orth. o.a.) sie gefeiert wird, sie ist nie nur eine lokale, ethnische oder nationale Handlung, weil in der Göttlichen Liturgie der Glaube und die Einheit der einzigen heiligen allumfassenden und apostolischen Orthodoxen Kirche von jederzeit und aus jederort ausgedrückt wird. Die Eucharistie in der Liturgie ist das zentrale Sakrament (Mysterium) der Kirche, weil es einerseits in der Gemeinschaft stattfindet (Kirche) und zugleich Gemeinschaft stiftetdamit alle eins seien” (Joh. 17, 21). D. Staniloae

Teil III: Formen und Aufbau.

a. Formen: Die zwei bekanntesten Liturgien – die Liturgie des Basilios des Großen (+379) und die Liturgie des Johannes Chrysostomos (+407) – gehen auf die Liturgie des heiligen Apostels Jakobus (+62/63) zurück. Es gibt auch eine dritte Liturgie – die Liturgie der *Vorgeweihten Gaben (des hl. Gregorius +604), die einen besonderen Platz in der Großen Fastenzeit einnimmt. Die Basiliosliturgie dauert länger und wird nur 10-mal im Kirchenjahr zelebriert und die Chrysostomosliturgie, die kürzer ist, in der restlichen Zeit des Kirchenjahres.

b. Aufbau: I. Vor dem Beginn der Liturgie werden die Gaben in der Form des Brotes und des Weines vorbereitet. Diese Vorbereitung heißt Proskomidie und wird vom Priester leise in einer Ecke des Altarraumes durchgeführt, auf dem Rüsttisch. In diesem Teil werden auch die Namen der Lebendigen und Verstorbenen erwähnt. Das Brot (Prosphore) ist ein besonderes liturgisches Brot und trägt das Siegel IC XC NI KA darauf, was auf Grechisch bedeutet: „Jesus Christus siegt „. Aus diesem Brot wird das *Lamm – als Viereck ausgeschnitten – dieses Stück wird bei der *Epiklese (siehe unten) zum Heiligen Leib Christi verwandelt und geheiligt; die anderen übrigen Brotstückchen werden während des Gesanges „Axion estin” (Loblieb auf die allerheiligste Gottesmutter) zum *Antidoron gesegnet und abschließend an alle Liturgieteilnehmenden verteilt. Auch der Wein sollte speziell ausgewählt sein.

II. Die auf die Proskomidie folgende Liturgie hat zwei Teile: 1) die Liturgie der Katechumenen (diejenigen, die sich früher auf die Annahme des christlichen Glaubens und der Taufe vorbereiteten); dieser Teil beginnt mit der großen Segnung („Gesegnet sei das Reich des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes”) und setzt sich mit *Fürbitten (für die ganze Welt, um Frieden und Rettung aller, für die Kranken), den*Antiphonen und den Seligpreisungen fort. Die Hauptmomente sind die Apostel- und die Evangelienlesung.

2) Die Liturgie der Gläubigen ist der wichtigste Teil der Göttlichen Liturgie, weil in dieser der Heilige Geist angerufen wird (Epiklesis), die dargebrachten *Gaben (Brot und Wein) und die Gemeinde zu heiligen. Dieser Teil enthällt unter anderem *das Glaubensbekentnis (Credo) und die *Eucharistische Anaphora. Die Anaphora („Darbringung”) ist der Hauptteil der Göttlichen Liturgie. Mit der Verkündung des Priesters – „Bringen wir Dir das Deinige vom Deinigen dar, gemäß allem und für alles” – beginnt der zentrale Teil der Liturgie, währendessen der Heilige Geist die Gaben (Brot und Wein) heiligt und sie in den Leib und das Blut Christi verwandelt, damit wir in der Heiligen Kommunion an diesem Geheimnis (Mysterium) teilhaben können.

Teil IV: Mitfeiern heute

a. Wann wird die Göttliche Liturgie gefeiert? Die Liturgie wird jeden Sonntagvormittag gefeiert, normalerweise auch an Festen und Gedenktagen der Heiligen, die auf einen Wochentag fallen. In der *Diaspora aber hat jede Kirchengemeinde ihre eigene Gottesdienstordnung, die Anfang jedes Monats veröffentlicht wird. Sehr hilfreich für alle Christen kann ein Kirchenkalender sein, der eine Orientierung über die kirchlichen Feste ermöglicht. Wichtige Informationen über orthodoxe Pfarren und deren Gottesdienste findet man leicht auf Internetseiten, religiösen Plattformen oder auf Facebook.

b. Welche Gegenstände sind für die Feier der Liturgie nötig? Um überhaupt die Liturgie feiern zu können (im Notfall auch außerhalb der Kirche), sind einige liturgische Gegenstände notwendig: Antiminsion (Altartuch aus Seide, auf dem die Grablegung Christi abgebildet ist und das eingenähte Märtyrerreliquien beinhaltet), Liturgiebuch, Evangeliar, Kelch, Diskos (ein kleiner Teller mit Rand, auf den die Teilchen des eucharistischen Brotes gelegt werden), Sternchen (symbolisiert den Stern von Bethlehem und dient als Stütze der Bedeckung über dem Diskos), liturgische Gewänder, Brot, Wein, Wasser, Weihrauchfass, Kerzen, u.a.

c. Was ist bei der Teilnahme an der Liturgie zu beachten? Es ist gut zu wissen, dass für die Teilnahme an der Göttlichen Liturgie eine gewisse innerliche und äußerliche Vorbereitung erforderlich ist. Eine weitere Voraussetzung für eine würdige Teilnahme wäre gemäß den Worten unseres Herrn in der Bergpredigt (Mt. 5, 23-24), die Vesöhnung mit den Nächsten.

d. Wie soll die Heilige Kommunion empfangen werden? Während der Liturgie, nämlich kurz nach dem Gebet „Vater unser„, spricht der Priester: „Lasset uns aufmerken: Das Heilige den Heiligen”. Dieser Ausruf des Priesters sollte ein Hinweis sein, dass die Heilige Kommunion nach einer intensiven geistlichen Vorbereitung (Beichte, Fasten, Gebete vor Empfang der Hl. Kommunion) und nüchtern empfangen werden soll. Zum Empfang der Hl. Kommunion ist jedes Mitglied einer Orthodoxen Kirche berechtigt. Sonderregel gelten für die Kranken und für kleine Kinder. Nach der heutigen Praxis ist es in einigen Orthodoxen Kirchen üblich, mindestens viermal im Jahr (in den Fastenzeiten) die Kommunion zu empfangen.

Das Mysterium der Eucharistie ist eigentlich erst dann voll erfüllt, wenn die Teilnehmenden auch die Kommunion empfangen und so die volle mystische  Gemeinschaft mit Gott und den Menschen erfahren. In einigen Orthodoxen Kirchen steigt heute die Zahl der Kommunikanten ständig. Bei vielen Gottesdiensten in größeren Kirchen wird die heilige Kommunion aus drei oder vier Kelchen gespendet. Die genauen Regeln für den häufigen Kommunionempfang soll jeder Gläubige individuell mit seinem geistlichen Vater (Beichtvater) festlegen.

Hinsichtlich der Vorbereitung auf die Hl. Kommunion formulierte Alexander Schmemann (Priester und Theologe) Folgendes: „Das ist die Zielsetzung aller Vorbereitung, allen Bereuens, aller Mühe und Gebete: Dass wir Christus lieben und mit Mut und nicht zur Verdammnis an der Kommunion teilnehmen, in dem uns Christi Liebe geschenkt wird.

Pfr. Catalin Soare MA

Ausgewählte Literatur:

1. Die Heilige Schrift.

2. Das Liturgiebuch.

3. B.Anania, Cartea deschisa a Imparatiei.

4. A. Schmemann, Die große Fastenzeit.

6. A. Schmemann, Die Eucharistie.

7. Der orthodoxe Katechismus.

8. D. Staniloae, Teologia Dogmatica Ortodoxa: Sfintele Taine.

9. E. Braniste, Liturgica speciala.

10. Lexikon für Theologie und Kirche.

11. J. Ziziloulas, Man the priest of creation.